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von Helge Johr

Kirchengemeinden (Herausforderungen)

Die Evangelisch-reformierte Kirche besteht aus dem Zusammenschluss von 138 Kirchengemeinden. Diese sind aufgrund ihrer Geschichte und ihrer regionalen Tradition, ihrer Lage und der regionalen Gegebenheiten ausgesprochen unterschiedlich.

Ausgangslage

Die Mitgliederzahlen bewegen sich von knapp 40 Gemeindegliedern, die eine Kirchengemeinde bilden, bis zu über 11.000 Gemeindegliedern. Kirchen und einzelne Kirchengemeinden sehen sich vermehrt existenziellen Herausforderungen gegenüber. Kirchengemeinden verlieren nicht nur Mitglieder, sie verlieren auch zunehmend an gesellschaftlicher Akzeptanz. Ebenso verliert der Glaube an hergebrachte Gottesbildern zunehmend an Akzeptanz.

Gleichzeitig gibt es in breiten Teilen der Gesellschaft das Bedürfnis nach Seelsorge sowie geistlicher und diakonischer Begleitung.

Nahezu allen Kirchengemeinden ist gleich, dass Sie ein zugehöriges Kirchengebäude haben, das für gottesdienstliche Angebote genutzt wird. Einige Kirchengemeinden haben mehrere Kirchengebäude. Diese Situation führt in vielen Fällen dazu, dass als Wesensmerkmal gemeindlicher Arbeit die Sicherstellung eines Gottesdienstangebotes in hergebrachter Form wahrgenommen wird.

Aufgrund von gesellschaftlichen Veränderungen, fehlendem Personal und weniger werdenden Mitgliedern, ist es zunehmend problematisch, in allen Kirchengemeinden ein wöchentliches Gottesdienstangebot sicherzustellen. Zudem stellt sich die Frage, ob die Konzentration auf Kirchengebäude und traditionelle Verkündigungstätigkeiten in Kirchengebäuden ausreichen, um die Aufgaben, die Kirchengemeinden haben, zu erfüllen.

Erwartungen an gute Gemeindearbeit

Gleichzeitig zeigt sich aus den vorliegenden Erfahrungen und aus wissenschaftlich begleiteten Studien[1], dass Kirchengemeinden eine hohe regionale Bindungswirkung haben können, wenn

  • die Außenorientierung und das Anliegen, Fernstehende und Nicht-Kirchenmitglieder zu erreichen, einer Kirchengemeinde deutlich wird,
  • es aufsuchende und beziehungsorientierte Gemeindearbeit gibt,
  • Personen aus der Gesellschaft im Gemeindeleben integriert sind und diese „ihren Ort“ in der Kirchengemeinde gestalten können,
  • Räume angeboten werden, um einen Bezug zur Kirche zu gewinnen,
  • Verknüpfungen der Kirchengemeinde zu Religionsunterricht in der Schule besteht,
  • Verknüpfungen mit anderen gesellschaftlichen Partnern, z. B. Musikschulen, karitativen Einrichtungen, Pflege etc. hergestellt werden,
  • ein Fokus auf Kinder- und Jugendarbeit liegt (auch in vernetzten Formen),
  • die Kirchengemeinde auf Themen des Ortes eingeht (politische Verhältnisse etc.),
  • ein Schwerpunkt auf Kernkompetenzen pastoralen Handelns und seelsorgliche Begleitung von Menschen in Not liegt,
  • Geduld und anhaltende Beziehungspflege mit Fernstehenden und Nicht-Kirchenmitgliedern gepflegt wird.

Herausforderungen

Zur Erledigung ihrer Aufgaben benötigen Kirchengemeinden:

Kompetenz
  • Ehrenamtlich und hauptamtlich aktive Personen benötigen Zeitkontingente für die Entwicklung inhaltlicher Kompetenzen (Weiterentwicklung kirchlicher Handlungsfelder). Die Möglichkeit, Kompetenzen zu erweitern, steigert in der Regel die Attraktivität einer Tätigkeit.
  • Um sich Kompetenzen anzueignen, die vielfältigen Aufgaben zu erfüllen, ist es notwendig ein bestimmtes Zeitkontingent zu verwenden. Dies gilt sowohl für inhaltliche, als auch für formale Aufgaben.
  • Da die Nicht-Beachtung formaler Aufgaben häufig Rechtsfolgen hat (Schadensersatz, Bußgeld etc.), wird in der Praxis zunächst oft darauf geachtet, diese ordnungsgemäß zu erbringen. Daher wird in der Praxis häufig aus Zeitgründen auf die Entwicklung inhaltlicher Fragen (Klausurtagungen, inhaltliche Schulungen etc.) verzichtet, wenn vor Ort formale Aufgaben sichergestellt werden (fachlich und persönlich).
Kapazität
  • Für die Erledigung von Aufgaben ist grundsätzlich Zeit notwendig. Je mehr Aufgaben wahrzunehmen sind, desto mehr Personen sind demnach notwendig, diese zu erledigen.
  • In Kirchengemeinden sind dazu haupt-, neben- und ehrenamtliche Mitarbeitende vorhanden.
  • Um eine gerechte Verteilung gesamtkirchlicher Ressourcen sicherzustellen, können hauptamtliche Mitarbeitende nur nach bestimmten Kriterien (Mitgliederquote und evtl. räumliche Ausdehnung) verteilt werden.
  • Daher spielen ehrenamtlich Mitarbeitende eine wesentliche Voraussetzung bei der Aufgabenerfüllung. Je weniger Mitglieder die jeweilige Organisationseinheit hat, desto eher kommt diese daher an ihre Grenzen.

Um ihre Aufgaben in ihrer gesamten Breite angemessen erfüllen zu können, benötigen Kirchengemeinden daher angemessene Organisationsgrößen. Welche Organisationsgröße dies im Einzelnen ist, hängt von der konkreten Situation im Einzelfall ab. Die Tatsache, dass sich eine Gruppe von Menschen um die zugehörige Kirche sorgt, wird aufgrund der Vielfalt von Aufgaben nicht ausreichen, um die Aufgabenerfüllung sicherzustellen.

Wird die Mitgliederentwicklung der vergangenen Jahre (2012 bis 2023) betrachtet, so lässt sich nicht feststellen, dass kleine Kirchengemeinden eine größere Bindungswirkung für Gemeindemitglieder haben, als größere Kirchengemeinden[2]:

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Nach allen Erkenntnissen entsteht Bindung durch die inhaltliche Arbeit und durch die Pflege persönlicher Beziehungen. Daher müssen Kirchengemeinden strukturell und finanzielle in der Lage sein, solche Arbeit auch leisten zu können. Finanziell soll dies u.a. durch die neue Zuweisungsordnung sichergestellt werden

Vor diesem Hintergrund bedarf es aber auch neuer Formen und Überlegungen der Zusammenarbeit. Zusammenarbeit bietet eine Vielzahl von Chancen

  • Entlastung von (ehrenamtlichen) Mitarbeitenden
  • Vergrößerung eines Mitarbeitendenteams
  • Möglichkeiten unterschiedliche Professionen einzusetzen
  • Erhalt von Angeboten / Schaffung von neuen Angeboten
  • Steigerung der Attraktivität / Qualität von Angeboten
  • Erhalt von verantwortbaren Arbeitsverhältnissen
  • Nutzen von „Know-how“ der anderen
  • Angemessene Besetzung von Gremien
  • gemeinsame Ressourcenplanung, insbesondere auch Gebäudeplanung
  • regionale Profilentwicklung
  • Evtl. Freiwerden von Geldern für andere Aufgaben
  • Qualitätssteigerung durch gabenorientierten Einsatz von Mitarbeitenden
  • . . . . . .

Einzelnachweise

  1. Todjeras, Limbeck, Schaser: Vielleicht schaffen wir die Trendumkehr, Leipzig 2022
  2. Mitgliederstatistik der Evangelisch-reformierten Kirche (Stand 9/2023)