Das Seelsorgegeheimnis schützt den Inhalt eines vertraulichen Gesprächs im Rahmen der Seelsorge. Es soll Ratsuchenden die Sicherheit geben, dass Geheimnisse, die in einem Seelsorgegespräch offenbart werden. nicht weitergegeben werden. Für die Evangelisch-reformierte Kirche ist das Seelsorgegeheimnis über das Seelsorgegeheimnisgesetz der EKD geregelt.
Seelsorgegeheimnis
Jede Person, die sich in einem Seelsorgegespräch einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger anvertraut, muss darauf vertrauen können, dass daraus ohne ihren Willen keine Inhalte Dritten bekannt werden. Seelsorgerinnen und Seelsorger haben über alles zu schweigen, was ihnen in Ausübung der Seelsorge anvertraut worden oder bekannt geworden ist. Werden sie von der Person, die sich ihnen anvertraut hat, von der Schweigepflicht entbunden, sollen sie gleichwohl sorgfältig prüfen, ob und inwieweit sie Aussagen oder Mitteilungen verantworten können.
Das Seelsorgegeheimnis steht unter dem Schutz der Kirche. Alle kirchlichen Stellen sollen sich dafür einsetzen, dass das Seelsorgegeheimnis bewahrt wird.
Berufliche Schweigepflicht
Nach § 31 Pfarrdienstgesetz der EKD haben Pfarrerinnen und Pfarrer über alle Angelegenheiten, die ihnen in Ausübung ihres Dienstes bekannt geworden sind, Verschwiegenheit zu bewahren. (Amtsverschwiegenheit)
Pfarrerinnen und Pfarrer dürfen über Angelegenheiten, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen, ohne Genehmigung des Dienstherrn weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Eine solche Genehmigung kann versagt werden, wenn durch die Aussage besondere kirchliche Interessen gefährdet würden.
Dies gilt auch, wenn der Dienstherr gewechselt wurde oder der Ruhestand begonnen hat.
Von der Amtsverschwiegenheit kann abgewichen werden, wenn
- eine Mitteilungen im dienstlichen Verkehr geboten ist,
- Tatsachen mitgeteilt werden, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen oder
- gegenüber einer von der obersten Dienstbehörde bestimmten Stelle ein durch Tatsachen begründeter Verdacht mitgeteilt wird, dass beruflich oder ehrenamtlich in der Kirche Mitarbeitende
- unerlaubte Vorteile gefordert oder angenommen haben,
- eine Vorteilsgewährung oder Bestechung im Sinne des Strafgesetzbuches begangen haben oder
- sexualisierte Gewalt ausgeübt oder eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Sinne des Strafgesetzbuches begangen haben.
Zeugnisverweigerungsrecht
Eine funktionierende Strafrechtspflege setzt die Verpflichtung des Bürgers voraus, der Strafjustiz als Zeuge zur Verfügung zu stehen. Ohne diese Verpflichtung zur Aussage wäre dem Gericht die Wahrheitsfindung im Strafprozess nur unter sehr großen Schwierigkeiten möglich. Gleichwohl kennen die Prozessordnungen auch Ausnahmen von dieser Verpflichtung zur Zeugenaussage. Zeugnisverweigerungsrechte haben z.B. bestimmte Personen, die aufgrund ihres Berufes eine besondere Vertrauensstellung haben, wie Ärzte oder Rechtsanwälte.
Ein Zeugnisverweigerungsrechte steht auch Geistlichen zu. Sie dürfen das Zeugnis über das verweigern, „was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekannt geworden ist“ (§ 53 Absatz 1 Nr. 1 StPO).
Zu den Geistlichen iSd § 53 zählen nicht nur Geistliche der christlichen Kirchen, sondern auch Geistliche sonstiger Religionsgemeinschaften. Voraussetzung nach der Rechtsprechung ist, dass
- die Geistlichen einer von der Religionsgemeinschaft auferlegten Verschwiegenheitspflicht unterliegt und
- den Geistlichen die seelsorgerische Tätigkeit von der jeweiligen Religionsgemeinschaft übertragen und ihm ein entsprechendes Amt anvertraut worden ist
Zu der Personengruppe der Geistlichen im Sinne der Strafprozessordnung gehören nicht nur hauptamtliche geweihte oder ordinierte Geistliche, sondern auch neben- und ehrenamtliche Tätige, die von der jeweiligen Religionsgemeinschaft mit der Seelsorge beauftragt sein (Seelsorgeauftrag).
Vom Zeugnisverweigerungsrecht werden alle Tatsachen umfasst, die Geistlichen in der Eigenschaft als Seelsorgerin oder Seelsorger anvertraut oder bekannt geworden sind. Hierzu zählt auch die Tatsache des Beichtganges. Nicht von dem Aussageverweigerungsrecht nach § 53 StPO umfass sind Tatsachen, die Geistliche in ausschließlich karitativer, fürsorgerischer, erzieherischer oder verwaltender Tätigkeit erfahren haben.
Das Aussageverweigerungsrecht gilt nach § 53a StPO auch für berufliche Hilfspersonen von Seelsorgerinnen und Seelsorgern.
Ausnahmen vom Seelsorgegeheimnis
Das staatliche Recht hat für einige Berufsgruppen (z. B. Ärzte, Lehrerinnen oder auch Mitarbeitende in KiTAs) Ausnahmen vom Berufsgeheimnis geregelt, In bestimmten Situationen, z.B. bei der Kenntnis von der Planung von bestimmten schweren Straftaten, bei Kindswohlgefährdungen oder sexuellen Übergriffen, sehen Gesetze trotz grundsätzlich bestehender Schweigepflicht, eine Meldepflicht vor. Geistliche, die im Rahmen der Seelsorge von entsprechenden Sachverhalten Kenntnis erlangen, sind von einer solchen Meldepflicht immer ausgeschlossen.
Die Schweigepflicht aus dem Seelsorgeverhältnis kann grundsätzlich nur durch die Person, die die Seelsorge in Anspruch genommen hat, aufgehoben werden. Wenn die Seelsorgerin oder der Seelsorger den Eindruck hat, dass es notwendig ist, Dritte vom Inhalt des Gesprächs zu informieren, ist im Seelsorgegespräch zunächst zu thematisieren, ob es eine Entbindung von der Schweigepflicht gibt, um etwa Dritte informieren zu können (Beratungsstelle etc. ), oder Gefährdungen für andere auszuschließen.
Dies kann zu einem Dilemma führen. Etwas, wenn eine Seelsorgerin oder ein Seelsorger von geplanten sexuellen Übergriffen erfährt.
Vor diesem Hintergrund kann es Situationen geben, bei denen der Schutz von wichtigen Rechtsgütern (z.B. Leib, Leben, seelische Gesundheit) vielleicht wichtiger ist, als der Schutz des Seelsorgegeheimnisse. Dieses ist eine absolute Ausnahmen vom Grundsatz des Seelsorgegeheimnisses. Eine Seelsorgerin oder ein Seelsorger kann eine solche Abwägung kaum alleine vornehmen. Sie bzw. er sollte sich in solchen Grenzfällen mit der Kirchenpräsidentin oder dem Vizepräsidenten abstimmen, um vorab sicherzugehen, dass keine Dienstpflichtverletzung begangen wird.