Zuletzt bearbeitet vor 3 Monaten
von Helge Johr

Kirchengemeinden (Formen der Zusammenarbeit)

Im Nachfolgenden werden sinnvolle Formen der strukturellen Zusammenarbeit von Kirchengemeinden dargestellt. Die genannten Formen der Zusammenarbeit lassen sich im Rahmen des bestehenden kirchlichen Rechts der Evangelisch-reformierten Kirche verwirklichen. Es sind darüber hinaus auch andere Kooperationsformen möglich, diese sind aber nur in privatrechtlichen Gesellschaftsformen umzusetzen. Dies führt dazu, dass der innerkirchliche Rechtsrahmen verlassen wird.

Warum Zusammenarbeit?

Kirche:Kirchengemeinden (Formen der Zusammenarbeit) 1724850421304.png

In der Evangelisch-reformierten Kirche bestehen viele kleine Kirchengemeinden. In diesen ist es nicht möglich, dass eine Pfarrstelle oder andere Stellen für hauptamtliche Beschäftigte nur für eine Kirchengemeinde zuständig ist.

Eine hauptamtliche Person ist dadurch oftmals für mehrere Kirchengemeinden zuständig. In der Praxis zeigt sich, dass es dann wenig Absprache der Kirchengemeinden gibt, gemeinsame regionale Planung von Aufgaben findet faktisch nicht statt. Daraus ergebe sich hohe Erwartungen und Anforderung an Pfarrpersonen.

Ein strukturiertes Zusammengehen von Kirchengemeinden bietet dagegen eine Vielzahl von Chancen, z.B.:

  • Entlastung von (ehrenamtlich) Mitarbeitenden,
  • Vergrößerung eines Mitarbeitendenteams,
  • Möglichkeiten unterschiedliche Professionen einzusetzen,
  • Erhalt von Angeboten / Schaffung von neuen Angeboten,
  • Steigerung der Attraktivität/Qualität von Angeboten,
  • Erhalt von verantwortbaren Arbeitsverhältnissen,
  • Nutzen von „Know how“ der anderen,
  • Angemessene Besetzung von Gremien,
  • gemeinsame Ressourcenplanung, insbesondere auch Gebäudeplanung
  • regionale Profilentwircklung oder
  • evtl. Freiwerden von Geldern für andere Aufgaben.

Pfarrstellenverband / Samtgemeinde

Kirchengemeinden können nach dem Kirchenverbandsgesetz miteinander Verbände bilden. Nach § 2 Kirchenverbandsgesetz folgt daraus:

  • Schaffung einer eigenen Person des öffentlichen Rechts
  • Schaffung eines Anstellungsträgers für gemeinsame Mitarbeitende

Eine spezielle – für die Gemeindeentwicklung besonders sinnvolle – Form des Verbandes ist der Pfarrstellenverband oder die Samtgemeinde.

Kirche:Kirchengemeinden (Formen der Zusammenarbeit) 1724846092464.png


Bei einem Pfarrstellenverband oder einer Samtgemeinde wird im Rahmen eines gemeinsamen Gemeindestatuts von mehreren Kirchengemeinden festgelegt, welche Aufgaben in Gänze auf diesen neuen Verband übergehen. Diese Aufgabenbereiche werden im Verband für alle beraten und entschieden. Die Samtgemeinde bzw. der Pfarrstellenverband wird Träger der Selbstverwaltungsrechte der Kirchengemeinden in seinem Aufgabenbereich und erlangt eigene Rechtspersönlichkeit. Kirchengemeinden behalten die Entscheidung über Angelegenheiten, die nicht übertragen werden. Dadurch wird die Zuständigkeit aufgeteilt. Somit kann die Sitzungshäufigkeit von Kirchenräten reduziert werden. Aufgaben, die auf Ebene der Kirchengemeinde verbleiben können, sind z.B. die Vermögens- und oder Friedhofsverwaltung.

Notwendig für eine Samtgemeinde bzw. einen Pfarrstellenverband ist, dass die gemeinsame inhaltliche Arbeit und die Koordination der Pfarr- und Mitarbeitendenstellen dort erfolgt. Daher ist die Mitgliedschaft von Pfarrerinnen und Pfarrern im Verbandsvorstand zweckdienlich. In den verbleibenden Kirchenräten müssen sie nicht zwingend vertreten sein. Dies kann über ein Gemeindestatut geregelt werden. Eine solche Gestaltung ermöglicht es, dass die Sitzungshäufigkeit der Gremien nicht wesentlich steigen muss, so dass insgesamt nicht mehr Zeit für Gremienarbeit aufgebracht werden muss.

Vorteile sind:

Anstellungsträger vorhanden

  • inhaltliche Arbeit kann gemeinsam gestaltet werden
  • geordnete Mitwirkung aller Beteiligten
  • Entlastung der Kirchenräte und Kirchengemeinden
  • evtl. mehr Leistungsfähigkeit durch größere Einheiten
  • eine Fortentwicklung des Verbandes zu einer gemeinsamen, fusionierten Kirchengemeinde ist unproblematisch möglich

als Nachteil könnte empfunden werden:

  • Einfluss der Kirchengemeinden evtl. geringer
  • zusätzliche Gremien (Verbandsvertretung, Verbandsvorstand)

Fusion

Eine Fusion bedeutet, den Zusammenschluss mehrerer Kirchengemeinden zu einer neuen Kirchengemeinde.

In § 7 Abs. 3 KVerf heißt es hierzu

Über die Vereinigung und Aufhebung von Kirchengemeinden und Pfarrstellen sowie die damit verbundenen vermögensrechtlichen Folgen beschließen die beteiligten Kirchengemeinden vorbehaltlich der Zustimmung der Synode und der Genehmigung des Moderamens der Gesamtsynode.  Ist eine Maßnahme der genannten Art zur rechten Erfüllung des kirchlichen Auftrages notwendig, ohne dass genehmigungsfähige Beschlüsse der Kirchengemeinden zustande gekommen sind, so kann sie vom Moderamen der Gesamtsynode nach Anhörung der Synode und der betroffenen Kirchengemeinden angeordnet werden. Gegen die Auflösung einer Kirchengemeinde oder die Vereinigung mehrerer Kirchengemeinden kann die zuständige Synode binnen drei Monaten die Gesamtsynode anrufen, die nach Anhörung der Beteiligten endgültig entscheidet.“

Kirche:Kirchengemeinden (Formen der Zusammenarbeit) 1724846164313.png


Bei einer Fusion entsteht eine neue Kirchengemeinde. Arbeitsplätze und Vermögen wird übertragen. Es besteht nur noch ein neuer gemeinsamer Kirchenrat.

Vorteile sind:

  • Anstellungsträger vorhanden
  • geordnete Mitwirkung aller Beteiligten
  • Reduzierung von Gremien
  • Evtl. mehr Leistungsfähigkeit durch größere Einheiten
  • gemeinsamer Neuanfang

als Nachteil könnte empfunden werden:

  • „Verlust“ der bisherigen Kirchengemeinde
  • Vergemeinschaftlichung des Vermögens

Die genannten Nachteile können bei einer Fusion aber durch Gestaltungsmaßnahmen minimiert werden.

Es ist möglich, durch ein Gemeindestatut Bezirke innerhalb einer Kirchengemeinde einzurichten, in denen lokale Arbeit innerhalb einer größeren Kirchengemeinde gestaltet wird. Im Rahmen der Haushaltsplanung kann diesen Bezirken auch ein Budget zur Verfügung gestellt werden.

Um besondere Vermögenswerte der bisherigen Kirchengemeinden weiterhin zielgerichtet für die lokale Arbeit zu verwenden, können in der Kirchengemeinde entweder vermögensrechtliche Zweckbindungen oder nicht-rechtsfähige Stiftungen eingerichtet werden, so dass die Mittel aufgrund der Haushaltsordnung oder der Stiftungssatzung weiterhin für den bisherigen Zweck verwendet werden müssen.

Synodalverband nutzen

Denkbar wäre auch ein Modell, das bisher wenig diskutiert wurde. In diesem Fall werden keine neuen Rechtsformen geschaffen, sondern die bisherigen Rechtspersonen kirchlichen Rechts werden genutzt:

  • Die Kirchengemeinden übertragen Aufgaben nach § 5 Abs. 2 KVerf, wie z.B. Unterweisung in Seelsorge, Diakonie, Evangelisation auf den Synodalverband. Dabei handelt es sich insbesondere um die Aufgabenbereiche, die nicht zu den pastoralen Kernaufgaben gehören. Die Aufgabenwahrnehmung kann in diesem Fall auch von anderen Berufsgruppen wahrgenommen werden.
  • Das von Synodalverband und Kirchengemeinden auf Grundlage des Pfarrstellenbeschlusses der Gesamtsynode erarbeitete Konzept zur pfarrdienstlichen Versorgung und zur   Pfarrstellenverteilung sieht vor, dass Stellen beim Synodalverband angesiedelt werden (max. 50% der Stellen).
  • Es handelt sich dabei nicht um Pfarrstellen, sondern um andere Berufsgruppen, die Aufgaben für die Kirchengemeinden wahrnehmen (Entscheidung durch Synoden – Ausstrahlung in Kirchengemeinden).
  • Ein Synodalverbandstatut regelt Inhalt und Aufgaben. (Ein entsprechendes Musterstatut sollte vom Landeskirchenamt entwickelt werden.)
Kirche:Kirchengemeinden (Formen der Zusammenarbeit) 1724846331067.png


Vorteile sind:

  • Es können Personen mit unterschiedlicher beruflicher Qualifikation angestellt werden.
  • Kirchengemeindeübergreifende inhaltliche Schwerpunkte können entwickelt werden.
  • Vakanzvertretung in Kirchengemeinden kann über den Synodalverband sichergestellt werden – die personelle Versorgungssicherheit ist höher.

als Nachteil könnte empfunden werden:

  • Kirchengemeinden könnten eine „Machtverschiebung“ zu Gunsten des Synodalverbandes vermuten.
  • Kirchengemeinden vor Ort haben weniger Personal, auf das sie unmittelbar Einfluss nehmen können, dadurch könnte die eigene Gestaltungsmöglichkeit von Kirchengemeinden verringert werden.
  • Es könnten Kommunikationshindernisse zwischen den verschiedenen Handlungsebenen entstehen.

Fazit

Grundsätzlich stellt eine Fusion im Ergebnis die Form dar, die die geringste Gremiendichte und den geringsten rechtlichen Aufwand hat, um Zusammenarbeit zu ermöglichen. Sie sollte daher ein prioritäres Ergebnisziel sein. Allerdings kann die Fusion vor Ort auf emotionalen Widerstand stoßen, da die Aufgabe der bisherigen Rechtspersönlichkeit, die ggf. bereits seit Jahrhunderten besteht, den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern vor Ort oftmals schwerfällt. Zudem führt eine Fusion zu einer verringerten Anzahl von Sitzen in der Synodalverbandssynode und daher ggf. zu einem „gefühlten“ Machtverlust. (Es sollte geprüft werden, ob im Hinblick auf angestrebte Fusionen die Sitzverteilung in der Synodalverbandssynode angepasst werden kann.) Andererseits ermöglicht eine Fusion mit den genannten Ergänzungen, wie Gemeindestatut und unselbständiger Stiftung, der Tradition eine neue Form zu geben und somit traditionelle Strukturen einerseits zu erhalten und andererseits die Kirchengemeinde und deren inhaltliche Arbeit fortzuentwickeln und lebendig zu halten.

Eine Samtgemeinde bzw. ein Pfarrstellenverband, kann eine akzeptable Alternative darstellen. Es gibt Gestaltungsformen bei dieser Rechtsperson, die die Sitzungshäufigkeit von Gremien auf ein akzeptables Maß bringt. Trotzdem handelt es sich immer noch um die Zusammenarbeit mehrerer Rechtspersonen. Bestimmte Aufgaben muss weiterhin jede Rechtsperson sicherstellen, die Synergieeffekte sind somit geringer.

Gerade in kleineren Synodalverbänden kann auch die Übertragung von Aufgaben an die Synodalverbandsebene die Arbeitsfähigkeit aller Kirchengemeinden im Synodalverband stärken. Dies sollte in allen Fällen in der Beratung in den Blick genommen werden.