A. Einleitung
Aus dem christlichen Menschenbild erwachsen die Verantwortung und der Auftrag, Menschen im Wirkungskreis der evangelischen Kirche, insbesondere Kinder, Jugendliche und hilfe- und unterstützungsbedürftige Menschen sowie Menschen in Abhängigkeitsverhältnissen (Minderjährige und Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen) vor sexualisierter Gewalt zu schützen und ihre Würde zu bewahren. Dies beinhaltet auch den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), ihre Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse und das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. sowie die gliedkirchlichen diakonischen Werke setzen sich für einen wirksamen Schutz vor sexualisierter Gewalt ein und wirken auf Aufklärung und Hilfe zur Unterstützung Betroffener hin. Gerade vor dem Hintergrund der sexualisierten Gewalt auch im Bereich der evangelischen Kirche in den zurückliegenden Jahren verpflichtet der kirchliche Auftrag alle in der Kirche Mitwirkenden zu einer Haltung der Achtsamkeit, der Aufmerksamkeit, des Respekts und der Wertschätzung sowie der grenzachtenden Kommunikation durch Wahrung persönlicher Grenzen gegenüber jedem Mitmenschen. (Präambel der Gewaltschutzrichtlinie der EKD)
Das vorliegende Rahmenschutzkonzept beschreibt die Grundlagen aktiver Präventions- und Interventionsarbeit auf der Grundlage des in der Evangelisch-reformierten Kirche geltenden Rechts. Dieser Rechtsrahmen wird im Wesentlichen gebildet durch
- Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Schutz vor sexualisierter Gewalt
- Kirchengesetz zur Anwendung und Ausführung der Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Schutz vor sexualisierter Gewalt
Sexualisierte Gewalt verstehen wir gemäß § 2 der Gewaltschutzrichtlinie der EKD wie folgt:
§ 2
Begriffsbestimmung sexualisierte Gewalt
(1) Nach dieser Richtlinie ist eine Verhaltensweise sexualisierte Gewalt, wenn ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird. Sexualisierte Gewalt kann verbal, nonverbal, durch Aufforderung oder durch Tätlichkeiten geschehen. Sie kann auch in Form des Unterlassens geschehen, wenn die Täterin oder der Täter für deren Abwendung einzustehen hat. Sexualisierte Gewalt ist immer bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB) und § 201a Absatz 3 oder §§ 232 bis 233a StGB in der jeweils geltenden Fassung gegeben.
(2) Gegenüber Minderjährigen ist sexuell bestimmtes Verhalten im Sinne des Absatzes 1 insbesondere dann unerwünscht, wenn gegenüber der Täterin oder dem Täter eine körperliche, seelische, geistige, sprachliche oder strukturelle Unterlegenheit gegeben ist und damit in diesem Verhältnis die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung fehlt. Bei Kindern, das heißt bei Personen unter 14 Jahren, ist das sexuelle bestimmte Verhalten stets als unerwünscht anzusehen.
(3) Gegenüber Volljährigen ist sexuell bestimmtes Verhalten insbesondere unerwünscht, wenn die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist.
(4) Unangemessenen Verhaltensweisen, die die Grenze der sexualisierten Gewalt nicht überschreiten, ist insbesondere gegenüber haupt- und ehrenamtlichen Betreuungspersonen durch geeignete Normen, Regeln und Sensibilisierung, insbesondere im pädagogischen und pflegerischen Alltag, entgegenzutreten.
Mit diesem Rahmenschutzkonzept setzen wir als Gesamtkirche entsprechend § 6 Abs. 2 der Gewaltschutzrichtlinie der EKD die Standards für ein achtungsvolles und sensibles Miteinander in unserer Kirche. Das Rahmenschutzkonzept soll alle Kirchgemeinden und Einrichtungen unserer Kirche dazu befähigen, zu sicheren Orten für Menschen jeden Alters, insbesondere aber für Kinder und Jugendliche und andere Schutzbefohlene zu werden. Es soll dazu dienen, dass sexualisierte Gewalt in unserer Kirche nicht verschwiegen wird und Betroffene Hilfe und Unterstützung erfahren. Mit den Maßnahmen, die in diesem Rahmenschutzkonzept beschrieben sind, sollen alle Menschen diejenigen, die Angebote unserer Kirche wahrnehmen, aber auch diejenigen, die als haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende solche Angebote verantwortlich gestalten geschützt und in ihren Rechten gestärkt werden.
§ 2
Begriffsbestimmung sexualisierte Gewalt
(1) Nach dieser Richtlinie ist eine Verhaltensweise sexualisierte Gewalt, wenn ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird. Sexualisierte Gewalt kann verbal, nonverbal, durch Aufforderung oder durch Tätlichkeiten geschehen. Sie kann auch in Form des Unterlassens geschehen, wenn die Täterin oder der Täter für deren Abwendung einzustehen hat. Sexualisierte Gewalt ist immer bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB) und § 201a Absatz 3 oder §§ 232 bis 233a StGB in der jeweils geltenden Fassung gegeben.
(2) Gegenüber Minderjährigen ist sexuell bestimmtes Verhalten im Sinne des Absatzes 1 insbesondere dann unerwünscht, wenn gegenüber der Täterin oder dem Täter eine körperliche, seelische, geistige, sprachliche oder strukturelle Unterlegenheit gegeben ist und damit in diesem Verhältnis die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung fehlt. Bei Kindern, das heißt bei Personen unter 14 Jahren, ist das sexuelle bestimmte Verhalten stets als unerwünscht anzusehen.
(3) Gegenüber Volljährigen ist sexuell bestimmtes Verhalten insbesondere unerwünscht, wenn die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist.
(4) Unangemessenen Verhaltensweisen, die die Grenze der sexualisierten Gewalt nicht überschreiten, ist insbesondere gegenüber haupt- und ehrenamtlichen Betreuungspersonen durch geeignete Normen, Regeln und Sensibilisierung, insbesondere im pädagogischen und pflegerischen Alltag, entgegenzutreten.
Mit diesem Rahmenschutzkonzept setzen wir als Gesamtkirche entsprechend § 6 Abs. 2 der Gewaltschutzrichtlinie der EKD die Standards für ein achtungsvolles und sensibles Miteinander in unserer Kirche. Das Rahmenschutzkonzept soll alle Kirchgemeinden und Einrichtungen unserer Kirche dazu befähigen, zu sicheren Orten für Menschen jeden Alters, insbesondere aber für Kinder und Jugendliche und andere Schutzbefohlene zu werden. Es soll dazu dienen, dass sexualisierte Gewalt in
unserer Kirche nicht verschwiegen wird und Betroffene Hilfe und Unterstützung erfahren. Mit den Maßnahmen, die in diesem Rahmenschutzkonzept beschrieben sind, sollen alle Menschen- diejenigen, die Angebote unserer Kirche wahrnehmen, aber auch diejenigen, die als haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende solche Angebote verantwortlich gestalten- geschützt und in ihren Rechten gestärkt werden.
B. Prävention
I. Schutzkonzepte
1. Rechtsgrundlage
In allen Gemeinden und Einrichtungen sollen örtliche Schutzkonzepte auf der Grundlage individueller Risikoanalysen erarbeitet werden. In den Gemeinden und Einrichtungen unserer Kirche müssen diese Schutzkonzepte bis Ende Dezember 2025 umgesetzt sein.
Sollten Gemeinden und Einrichtungen diese Frist nicht einhalten können, ist das Landeskirchenamt über den Stand der Arbeit und das voraussichtliche Datum der Fertigstellung zu informieren. Das Landeskirchenamt bietet durch die Fachstelle Beratung und Unterstützung an. Sollten keine Konzepte erstellt werden, kann das Modera- men der Gesamtsynode prüfen, ob eine Ersatzvornahme durchzuführen ist.
2. Wegweiser zur Erarbeitung der Schutzkonzepte
Ein Wegweiser dient den Gemeinden und Einrichtungen als erste Orientierungshilfe. Er dient aber auch dazu, aufzuzeigen, welche Standards die Schutzkonzepte unserer Kirche erfüllen müssen und fördert so die Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen. Um einen niedrigschwelligen Zugang zu ermöglichen gibt es den Wegweiser sowohl als Broschüre als auch in digitaler Form auf der Internetseite des Landeskirchenamtes.
Bei der Erarbeitung des Schutzkonzeptes müssen 9 Bausteine berücksichtigt werden.
- Risiko- und Potentialanalyse
- Verhaltenskodex,
- Beteiligung,
- Beschwerdewege,
- Personalverantwortung,
- Schulungen,
- Interventionsleitfaden,
- Kooperation und
- Leitbild.
Für die Erarbeitung von Schutzkonzepten wurde ein Wegweiser erstellt. Die Materialien, die bei der Erarbeitung der Bausteine hilfreich sind, befinden sich im ReformiertWiki und können dort abgerufen werden. Sie werden stetig an die Entwicklungen angepasst und aktualisiert.
Kooperationen von Gemeinden und Einrichtungen bei der Entwicklung der Schutzkonzepte können sehr sinnvoll sein, um Ressourcen zu sparen und ein ressortübergreifendes Denken und Handeln zu fördern. Allerdings muss jede Gemeinde und Einrichtung eine eigene Risiko- und Potentialanalyse (Baustein 1) durchführen.
3. Regelungen für haupt-, neben- und ehrenamtlich Tätige
Alle Mitarbeitenden sind mitverantwortlich für die Umsetzung des Schutzkonzeptes. Daher sind ins- besondere die folgenden Aspekte durch das Schutzkonzept sicherzustellen und müssen den Mitarbeitenden bekannt sein.
a. Abstinenz- und Abstandsgebot
In vielen Bereichen kirchlicher Arbeit gibt es besondere Vertrauensverhältnisse, die zu Macht und Abhängigkeit führen können. Dies gilt insbesondere in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und anderen Schutzbefohlenen, sowie in Seelsorge- und Beratungskontexten.
In solchen Beziehungen gilt das Abstinenzgebot. Es bedeutet, dass sexuelle Kontakte mit dem kirchlichen Schutzauftrag nicht vereinbar und daher verboten sind.
b. Schulung, Fortbildung und Sensibilisierungsmaßnahmen
Ziel aller Schulungs- und Fortbildungsangebote zum Thema sexualisierte Ge- walt ist eine grundlegende Sensibilisierung für das Thema, die Befähigung mögliche Gefährdungen zu erkennen und das Gewinnen von Handlungssicherheit im Verdachtsfall. Ferner bieten Schulungssituationen den Raum, die eigene Haltung zu reflektieren.
Eine Basisschulung zum Thema Schutz vor sexualisierter Gewalt ist grundsätzlich für alle Mitarbeitenden verpflichtend. Je nach Aufgabenbereich werden einige Mitarbeitende vertieft fortgebildet.
Die Grundsensibilisierung erfolgt durch eine 4-stündige Basisschulung „Auf Grenzen achten - Sichere Orte schaffen“. Die Inhalte beziehen sich auf das Schulungskonzept „Hinschauen-Helfen-Handeln“ der EKD und Diakonie.
Wie eine Gemeinde/Einrichtung den Schulungsbedarf ermittelt, ist Teil der Schutzkonzeptentwicklung (Baustein 6). Für Jugendliche ab 16 und junge Erwachsene gibt es das Angebot einer dem Alter und der Lebenswelt junger Menschen angepasste Basisschulung PLUS über 6 Stunden.
c. Verhaltenskodex
Im Umgang mit Menschen, die Angebote der Kirche wahrnehmen, müssen Respekt, ein wertschätzendes Verhalten und eine grenzachtende Kommunikation die Arbeit prägen. Deshalb ist es notwendig, dass alle Mitarbeitenden zu Beginn ihrer Tätigkeit auf einen einrichtungsbezogenen Verhaltenskodex verpflichtet werden.
Die einrichtungsspezifischen Regelungen sollen bei der Entwicklung des örtlichen Schutzkonzeptes ermittelt werden.
Grundsätzlich ist durch einen Verhaltenskodex sicherzustellen, dass
• die Angemessenheit des Körperkontakts gewährleistet wird,
• Intimsphäre beachtet wird,
• auf die Angemessenheit von Nähe und Distanz geachtet wird,
• diskriminierendes, sexistisches und gewalttätiges verbales und nonverbales Verhalten unter- lassen wird,
• klare Regelungen für 1:1-Situationen zwischen einem Erwachsenen und einem Kind oder einer/m Jugendlichen bestehen.
Die Einhaltung des Verhaltenskodex ist regelmäßig zu überprüfen.
d. Meldepflicht
Alle Haupt-, Neben- und Ehrenamtliche haben eine Meldepflicht. Sie müssen einen begründeten Verdacht auf sexualisierte Gewalt oder einen Verstoß gegen das Abstinenzgebot unverzüglich an die Meldestelle im Landeskirchenamt melden. Sie können sich zuvor bei der Ansprechstelle beraten lassen, ob es sich bei ihrem Verdacht um einen meldepflichtigen Fall handelt.
In Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe besteht bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung für pädagogische Fachkräfte der jeweiligen Einrichtung eine gesetzliche Pflicht zum Einbeziehen einer „insoweit erfahrenen Fachkraft“ (IN- SOFA).
e. Tätigkeitsausschluss und erweiterte Führungszeugnisse
Für eine haupt-, neben- oder ehrenamtliche Tätigkeit kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wer wegen einer Straftat verurteilt worden ist, die nach staatlichen Vorschriften zu einem Ausschluss von der Kinder- und Jugendarbeit führt (§ 72a SGB VIII).
Alle Haupt-, Neben- und Ehrenamtlichen müssen regelmäßig ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen – unabhängig von ihrer Tätigkeit.
Im Schutzkonzept können bestimmte Tätigkeiten von der Vorlagepflicht ausgenommen werden. Das Schutzkonzept muss sich mit den unterschiedlichen Bereichen ehrenamtlicher Tätigkeit auseinandersetzen und beurteilen, für welche Tätigkeiten eine Einsicht in das Führungszeugnis nach Art, Dauer und Intensität des Kontaktes zu Minderjährigen nicht erforderlich ist.
II. unterstützende Angebote für Kirchengemeinden und Einrichtungen
1. Präventionsbeauftragte
Die Präventionsbeauftragten in den Synodalverbänden unserer Kirche übernehmen eine zentrale Rolle in der Präventionsarbeit. Um einen Qualitätsstandard zu erreichen, der die gesamte Landeskirche umfasst, ist es notwendig die Grenzen der einzelnen Synodalverbände zu überwinden und gemeinschaftlich zu handeln.
Die Präventionsbeauftragten sind:
1. Brückenbauer*innen: Die Beauftragten fungieren als Schnittstelle zwischen den Gemeinden, den Synodalverbänden und dem Landeskirchenamt, um Informationen zu teilen und Anliegen weiterzuleiten. Die Beauftragten arbeiten eng mit der Fachstelle, die Präventionsarbeit innerhalb des Synodalverbands voranzutreiben. Durch regelmäßige Austauschtreffen soll darüber hinaus die synodalverbandübergreifende Arbeit gestärkt werden, um die landeskirchlichen Standards nachhaltig in alle Bereiche zu etablieren.
2. Themenwächter*innen: Um die Prävention von sexualisierter Gewalt über die Entwicklung der Schutzkonzepte hinaus lebendig zu halten, berichten die Beauftragten mindestens einmal jährlich über die aktuellen Entwicklungen auf den jeweiligen Synoden der Synodalverbände.
Arbeitstreffen: Die Beauftragten werden zu regelmäßigen Arbeitstreffen eingeladen, bei denen Austausch und spezifische Fortbildungen zu Präventionsthemen im Fokus stehen.
Die Benennung der Beauftragten erfolgt gemäß den Vorgaben des Anwendungsgesetzes.
2. Multiplikator*innen
Multiplikator*innen werden für den Bereich der Prävention und Sensibilisierung im Bereich sexualisierte Gewalt fachspezifisch geschult. Sie werden nach dem Format "HINSCHAUEN-HELFEN-HAN- DELN", das den Richtlinien der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) entspricht, für den Workshop „Auf Grenzen achten - Sichere Orte schaffen“ fortgebildet (Rahmen und Inhalte dieser Schulung siehe Anhang D) Als ehren- oder hauptamtliche Mitarbeitende schulen sie in den Kirchengemeinden und Einrichtungen die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden in allen Bereichen der Landeskirche. Nur wer eine sogenannte „Multiplikator*innenschulung“ nach Hinschauen-Helfen-Handeln ab- solviert hat, darf die Basisschulung durchführen. Grundsätzliche Voraussetzungen für Multiplikator*innen sind eine empathische Grundhaltung, ein fachgerechter Umgang mit wechselhafter Gruppendynamik, um Gruppen flexibel und bedarfsorientiert anleiten zu können, eine seelische Belastbarkeit und ein großes Interesse an der Thematik. Die viertägige Schulung und eine intensive Einarbeitung durch die Fachstelle gibt sowohl der Fachstelle als auch den Teilnehmenden Gelegenheit, die Eignung zu überprüfen. Multiplikator*innen, die diese Weiterbildung bei einer der anderen Landeskirchen der EKD absolviert haben, benötigen eine Einweisung in die Maßnahmen der Evangelisch-reformierten Kirche bzgl. Intervention und Prävention.
Die Multiplikator*innen erhalten Unterstützung, Begleitung und Beratung durch die Fachstelle. Sie werden mit allen Materialien ausgestattet, die sie zur Schulung benötigen. Ihnen werden themenspezifische Workshops zur Weiterbildung und Arbeitstreffen zur Vernetzung angeboten. Sie werden für ihren ehrenamtlichen sehr speziellen Einsatz finanziell für ihre Aufwände entschädigt.
C. Intervention
Nach der Gewaltschutzrichtlinie der EKD sollen die einzelnen Landeskirchen bei einem begründeten Verdacht auf sexualisierte Gewalt angemessen im Rahmen strukturierter Handlungs- und Notfallpläne interveniert werden (Interventionsmaßnahmen).
I. Interventionsleitfaden
Bei der Aufarbeitung von Vorfällen hat sich gezeigt, dass bei der Intervention die Betroffenenorientiertheit die größte Herausforderung darstellt. Die Angst, jemanden zu Unrecht zu beschuldigen, hat bisweilen dazu geführt, dass nicht adäquat aufgeklärt wurde.
Um diesem entgegenzuwirken, hat das Moderamen der Gesamtsynode einen Interventionsleitfaden entwickelt, um ein verantwortungsbewusstes und rechtskonformes Handeln zu gewährleisten. Er ist bei Vorfällen sexualisierter Gewalt unbedingt einzuhalten und muss allen Mitarbeitenden bekannt sein. Wie dies gewährleistet wird, ist im Schutzkonzept einer Einrichtung/Gemeinde festzulegen (Baustein 7). Zu finden ist er im ReformiertWiki unter dem Stichwort „Interventionsleitfaden“.
Um ein geordnetes Verfahren bei der Intervention sicherzustellen, ist das Landeskirchenamt bei der Meldung von Verdachtsfällen einzuschalten. Daher heißt es in § 4 Abs. 2 Anwendungsgesetz zur Gewaltschutzrichtlinie:
„Das Landeskirchenamt ist in Fällen eines begründeten Verdachts auf sexualisierte Gewalt unverzüglich von der betroffenen Einrichtung zu informieren und im Rahmen strukturierter Handlungs- und Notfallpläne zu beteiligen. Beim Verdacht einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung hat die betroffene Einrichtung grundsätzlich die Strafverfolgungsbehörden und erforderlichenfalls staatliche Aufsichtsbehörden zu informieren und mit diesen eng zu kooperieren. Von der Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden und staatlicher Aufsichtsbehörden kann nur abgesehen werden, wenn dies dem ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Person oder deren Sorgeberechtigten entspricht und der Verzicht auf eine Mitteilung rechtlich zulässig ist. Ein Verzicht ist nicht zulässig, wenn eine konkrete Gefahr für weitere Personen besteht. Die betroffenen Einrichtungen werden vom Landeskirchenamt dabei unterstützt.“
II. Ansprechstelle
Die Ansprechstelle der Evangelisch-reformierten Kirche bietet vertrauliche Beratung und Unterstützung an. Sie berät Kontaktsuchende insbesondere im Vorfeld einer Meldung von Verdachtsmomenten sexualisierter Gewalt bei der Meldestelle, d.h.
- Sie unterstützt betroffene Personen bei der Entscheidung, ob eine Meldung bei der Meldestelle erfolgen soll. Sie beantwortet Fragen zum Verfahrensablauf und informiert betroffene Personen über ihre Rechte.
- Sie berät haupt-, neben- und ehrenamtliche Mitarbeitende, ob die ihnen zur Kenntnis gelangten Verdachtsmomente meldepflichtig sind. Sie hilft bei der Einschätzung, ob sich aus den Anhaltspunkten ein meldepflichtiger Verdachtsfall ergibt.
- Sie klärt mit den haupt-, neben- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden, ob deren berufliche Schweigepflicht einer Meldung entgegenstehen könnte.
Die Ansprechstelle dokumentiert die ihr mitgeteilten Verdachtsmomente. Meldepflichtige Verdachts- fälle gibt die Ansprechstelle an die Meldestelle weiter, sofern es nicht dem ausdrücklichen Wunsch betroffene Personen widerspricht, die sich an die Ansprechstelle gewandt haben. Ergibt sich bei der Beratung durch Ansprechstelle, dass keine Anhaltspunkte für eine meldepflichtigen Verdachtsfall bestehen, wird die Anfrage vertraulich behandelt.
Die Ansprechstelle vermittelt weitere Hilfsangebote, etwa im Bereich der Beratung oder der Begleitung. Sie weist auch auf die Möglichkeit hin, Leistungen bei der Anerkennungskommission zu beantragen. Sie tritt innerkirchlich für die Rechte Betroffener ein.
Die Ansprechstelle ist nicht in die Abläufe des Landeskirchenamtes eingebunden. Eine dauerhafte Begleitung von betroffenen Personen durch die Ansprechstelle ist nicht vorgesehen, vielmehr ist es ihre Aufgabe, einen Erstkontakt herzustellen, im Hinblick auf weitere Schritte zu beraten und ggf. weitere Hilfsangebote zu vermitteln.
Ansprechstelle der Evangelisch-reformierten Kirche:
ansprechstelle@reformiert.de oder 0491/9198195
III. Meldestelle
Liegen ausreichende Anhaltspunkte für sexualisierte Gewalt vor, wird der Verdacht der Meldestelle gemeldet. Die Meldestelle nimmt Meldungen von Verdachtsfällen sexualisierter Gewalt auf.
Unter Hinzuziehung eines weiteren Mitglieds des im Landeskirchenamtes gebildeten Interventionsteams führt die Meldestelle innerhalb von 48 Stunden nach Eingang einer Meldung eine Verdachts- und Gefährdungseinschätzung durch und entscheidet über Sofortmaßnahmen.
Ergibt die Verdachts- und Gefährdungseinschätzung, dass ein begründeter Verdacht auf eine Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung oder des Abstands- bzw. Abstinenzgebotes besteht, gibt die Meldestelle die Meldung unverzüglich an das Interventionsteam weiter. Wird ein Verdacht als vage oder unbegründet bewertet, berät die Meldestelle bei Bedarf, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Vorfall zu gestalten ist.
Als Teil des Interventionsteams wirkt die Meldestelle an Entscheidungen mit, wie die Verfahrensschritte des Interventionsleitfadens umzusetzen sind, sofern aufgrund gesetzlicher Regelungen nicht andere Zuständigkeiten bestehen. Die Meldestelle stellt durch ihre Expertise sicher, dass bei der Umsetzung der Verfahrensschritte geltende fachliche Standards berücksichtigt werden, und übernimmt die Aufgaben, die ihr in interner Abstimmung des Interventionsteams übertragen werden.
Die Meldestelle dokumentiert alle eingehenden Meldungen in einem Umfang, der eine umfassende individuelle und institutionelle Aufarbeitung gewährleistet.
Meldestelle der Evangelisch-reformierten Kirche:
meldestelle@reformiert.de (Zugang zu dieser E-Mail-Adresse haben: Fachstelle, Vizepräsident, Referentin der Kirchenpräsidentin)
0491/91 98 199 (Anschluss Manuela Feldmann)
D. Hilfe
I. Anerkennungsleistung
Betroffene sexualisierter Gewalt können einen Antrag auf individuelle finanzielle Leistungen stellen. Über den Antrag entscheidet die Anerkennungskommission, die gemeinsam für die Evangelischen Kirchen in Niedersachsen und die Bremische Evangelische Kirche gebildet ist.
Der Antrag ist an die Meldestelle der Evangelisch-reformierten Kirche zu richten. Diese berät und begleitet die Antragstellerinnen und Antragsteller.
Ausführliche Informationen finden sich auf der Internetseite der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen.
II. Aufarbeitung
1. institutionelle Aufarbeitung
Wirksame Präventionsmaßnahmen erfordern eine gute Aufarbeitung von Vorfällen, damit Lehren aus eventuellen Fehlern gezogen werden können.
Die Evangelischen Kirchen in Niedersachsen und die Bremische Evangelische Kirche haben gemein- sam die unabhängige regionale Aufarbeitungskommission Niedersachsen Bremen (URAK) gegründet. Die URAK befindet sich in der Aufbauphase.
In der URAK soll eine institutionelle Aufarbeitung der bisher bekannten Fälle erfolgen.
2. individuelle Aufarbeitung
Auf individueller Ebene bedeutet Aufarbeitung, auf die Erfahrungen aus dem konkreten Sachverhalt zu reagieren und ggf. betroffenen Personen Hilfe anzubieten.
Aspekte der individuellen Aufarbeitung sind:
✓ Identifizierung von Fehlerquellen und ggf. Anpassung des Schutzkonzeptes,
✓ Hinzuziehung von außenstehenden Fachkräften, um einen erweiterten Blick auf das Geschehene zu erhalten,
✓ Hilfsangebote für direkt oder indirekt Betroffene,
✓ Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit aller Mitarbeitenden,
✓ Dokumentation des Geschehens sowie nachhaltige Bearbeitung und Begleitung sowie
✓ Planung von Maßnahmen im Umgang mit beschuldigten Mitarbeitenden, deren Schuld sich nicht erwiesen hat.