Gott, wie ist Dein Name? Die Selbstkundgabe Gottes im Alten und Neuen Testament
Von Gott reden – aber wie? Zum Bilderverbot.
In Exodus 20 heißt es:
4 „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: 5 Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, 6 aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.“
Bilder.
Bilder prägen die religiöse Welt des Alten Orient.
Die Götter werden in Kultbildern (hebr. פֶּסֶל [pæsæl]) dargestellt. In den Kultbildern sind sie gegenwärtig und lebendig. Im Kultbild ist der unsichtbare Gott sichtbare Wirklichkeit. Ja, das Kultbild ist die Gottheit, wenn bestimmte Abläufe bei der Herstellung beachtet worden sind:
Die Initiative zur Erstellung des Kultbildes geht von der Gottheit aus; für das Aussehen werden im Tempel aufbewahrte Modelle benutzt; wichtig sind das besondere Material und die fachlich besonders qualifizierten Handwerker.
Festgelegte Rituale der Mundwaschung und der Mundöffnung beleben das Götterbild. Es ist der irdische Körper der Gottheit.
An das Kultbild eines Gottes ist der Bestand der kosmischen und irdischen Ordnungen gebunden. Deshalb hat der Verlust oder die Zerstörung des Kultbildes katastrophale Auswirkungen für das Gemeinwesen. Die Gottheit kann das Kultbild auch verlassen und seinen Schutz von einem Volk abwenden. Dann ist die Stadt Feinden schutzlos ausgeliefert. Es kommt z. B. zur Eroberung der Stadt durch die Feinde. Das ist der Ausdruck des Zornes Gottes.
Das Bilderverbot sowohl im 2. Buch Mose (Exodus) als auch im 5. Buch Mose (Deuteronomium) gebraucht das hebräische Wort ‚päsäl‘ (s. o.). Du sollst dir kein Kultbild von Gott, von JHWH, machen.
Das Bilderverbot im Alten Testament ist daher ein Kultbildverbot. Es richtet sich nicht gegen mentale oder sprachliche Bilder, ohne die wir gar nicht von Gott reden könnten.
Exodus 20, 4 und Deuteronomium 5, 8 sprechen davon, sich kein Kultbild von JHWH zu machen und zwar in keinerlei Gestalt. Jede Gestalt im Kosmos wird ausgeschlossen: im Himmel, auf Erden oder im Wasser unter der Erde. Nichts in der Schöpfung kann dazu dienen, JHWH sichtbar oder handhabbar zu machen. Dann wird es zum Götzen.
Die Begründung für dieses Gebot wird in Deuteronomium 4 dargelegt. Das Volk hat sich am Berg Horeb versammelt. Ein spektakuläres Schauspiel aus Flammen, die bis in den Himmel ragen, Finsternis, Wolken und Dunkel ereignet sich. Aus dem Feuer spricht JHWH zu den Menschen. „Seine Worte hörtet ihr, aber ihr saht keine Gestalt, nur eine Stimme war da.“ (V. 12)
Die Menschen sehen Gott nicht.
Deshalb heißt es weiter: „15 So hütet euch um eures Lebens willen – denn ihr habt keine Gestalt gesehen an dem Tage, da der HERR mit euch redete aus dem Feuer auf dem Berge Horeb –, 16 dass ihr euch nicht versündigt und euch irgendein Bildnis macht, das gleich sei einem Mann oder einer Frau, 17 einem Tier auf dem Land oder Vogel unter dem Himmel, 18 dem Gewürm auf der Erde oder einem Fisch im Wasser unter der Erde. 19 Hebe auch nicht deine Augen auf zum Himmel, dass du die Sonne sehest und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, und fallest ab und betest sie an und dienest denen, die der HERR, dein Gott, zugewiesen hat allen Völkern unter dem ganzen Himmel. 20 Euch aber hat der HERR angenommen und aus dem Schmelzofen, nämlich aus Ägypten, geführt, dass ihr sein Erbvolk sein sollt, wie ihr es jetzt seid.“
In diesen Versen (und ebenso später in V. 23) wird betont, dass das Volk keine Gestalt gesehen hat am Horeb. Deshalb ist es ihnen verboten, sich von JHWH ein Kultbild zu machen. Im Text wird aber auch deutlich, dass die anderen Völker das dürfen. Ihnen hat Gott die Natur zugewiesen, damit sie sich Bilder machen.
Dtn 4 stellt die Existenz anderer Götter nicht in Frage. Für die Israeliten, die als Folge der Übertretung des Bilderverbotes unter die Völker zerstreut werden, ist die Anbetung der Götter ein Teil der Strafe (V. 28).
Allerdings wird klar ausgesagt, dass diese Götter keine Macht haben. In Dtn 5, 28 (z. B. auch in Jes 46, 1+2+5-7) wird ihnen attestiert, dass sie nur totes Material sind. Noch einmal: Es wird den Göttern nicht ihre Existenz bestritten – wohl aber ihre Wirkmacht.
Das Bilderverbot ist wichtig für das Alte Testament – und für das Judentum bis heute. Auch die reformierten Kirchen prägt es – im Unterschied zu vielen anderen christlichen Konfessionen, deren Kirchen anders aussehen und die das Bilderverbot aus den Zehn Geboten gestrichen oder doch weitgehend eliminiert haben. Auf den ersten Blick könnte man jetzt nur an die vielen eher kahlen Kirchen denken. Sie sind durchaus als Folge des Bilderverbots zu verstehen – aber das, was die Bibel meint, geht ja noch viel weiter und tiefer: Ein Kultbild versucht, Gott festzuhalten. Gott auf ein ganz bestimmtes Bild, was sich Menschen von Gott machen, festzulegen. Ein solches Bild sagt dann: „So ist Gott, so muss Gott sein.“ Genau diese Festlegung Gottes ist das Problem gerade derjenigen, die um den einen Gott wissen – Juden und Christen gleichermaßen. Und wenn wir von Gott als „Hirten“ sprechen oder als „Krieger“ oder auch als „Vogel“? Das sind doch auch Bilder? Ja, aber diese Bilder können nebeneinanderstehen. Sie besagen, dass Gott sich wie ein Hirte verhält, weil er keins seiner Schafe loslässt. Dass Gott für die Seinen streitet gegen das, was den Menschen gefährdet. Dass Gottes Flügel Schutz bieten. Solche Bilder wollen Gott nicht auf eine Vorstellung festlegen, denn Gott ist frei – auch frei von unseren Bildern von ihm gegenüber.
Natürlich machen wir Menschen uns immer wieder Bilder von Gott. Wir können ja gar nicht anders – wir heute nicht und die Menschen des Alten Testaments auch nicht. Aber wir brauchen immer wieder die Korrektur unserer Bilder, weil sie immer in der Gefahr sind, Gott mit unserem Bild von ihm gleichzusetzen. Wenn wir das tun, täuschen wir uns selbst. Die Vielfalt der Geschichten von Gott in der Bibel, die Vielfalt der Vorstellungen und Bilder von Gott ist typisch für das Alte und auch für das Neue Testament. Sie zeigen uns den Reichtum Gottes, der alle unsere Vorstellungen und Sinne übersteigt. Es ist darum verständlich, dass im Heidelberger Katechismus die Aufforderung und Einladung zu hören ist, sich statt mit den gemalten Bildern mit der Vielfalt der Bilder zu beschäftigen, die uns in der Bibel begegnen.
Von Christus reden – aber wie? Das Bekenntnis zu dem einen Gott Israels und zu Jesus Christus im Neuen Testament.
In Mk 2,1-11 begegnet die Erzählung von der Heilung eines Gelähmten, der von seinen Freunden zu Jesus gebracht wird. „Als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Kind, deine Sünden sind dir vergeben.“ (Mk 2, 5)
Jesus beansprucht mit der Sündenvergebung eine Autorität, die im Bekenntnis Israels nur dem einen Gott zusteht. In der Geschichte bemerken dies auch die Zuschauer des Geschehens. So fragen die anwesenden Schriftgelehrten bei sich: „Wer kann Sünden vergeben, außer dem einen Gott?“ (Mk 2, 7b) Freilich ist diese Frage nur rhetorisch zu verstehen, denn ihre Beurteilung des Geschehens als Blasphemie („er redet blasphemisch“ Mk 2, 7a) stellen sie der Frage schon voran.
Ihre kritischen Gedanken bleiben nicht verborgen und Jesus erkennt und reagiert. In seiner Antwort spricht er von sich in der dritten Person: Der Menschensohn habe Autorität, Sünden zu vergeben (Mk 2, 10). Als Zeichen dafür („damit ihr wisst“ Mk 2, 10), heilt Jesus mit seinem Wort den Gelähmten, der daraufhin aufsteht, seine Liege nimmt und nach Hause geht (Mk 2, 11+12a).
Die Reaktion der übrigen Anwesenden ist bemerkenswert. Sie verstehen die Sündenvergebung – anders als die Schriftgelehrten – nicht als Angriff auf das Bekenntnis zum einen Gott Israels – im Gegenteil: Das Auftreten Jesu, der dem Gelähmten die Sünden vergibt und ihn heilt, führt sie zum Lob des Gottes Israels.
Hier begegnet ein Grundgedanke, der das Neue Testament durchzieht. Einerseits bleibt das Bekenntnis zum einen Gott Israels uneingeschränkt gültig. So zitiert Jesus in Mk 12, 29f mit dem sogenannten Schema Jisrael einen zentralen Bekenntnistext Israels: „Höre Israel, der Herr, unser Gott ist ein Herr.“ (Dies ist eine mögliche Wiedergabe der griechischen Übersetzung von Dtn 6, 4. Der hebräische Text ist besser wiedergegeben mit: „Höre Israel, Jhwh ist unser Gott, Jhwh einzig.“) Im Epheserbrief wird ganz ähnlich bekannt, es sei „… ein Gott und Vater aller, der über allen und durch alle und in allen ist.“ (Eph 4, 6) Übrigens steht im griechischen Text für „ein“ kein unbestimmter Artikel (den gibt es im Griechischen gar nicht), sondern das Zahlwort heis (= ein, eine, einer u. ä.).
Andererseits tritt Jesus in den Evangelien mit der Autorität auf, in dem Namen und der Vollmacht des Gottes Israels zu handeln. Der auferstandene Jesus erfährt im Neuen Testament eine Verehrung, die dem Lob Gottes entspricht. Exemplarisch betrachtet sei der sogenannte Philipperhymnus:
„Er, der in göttlicher Gestalt war,
hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
sondern entäußerte sich selbst
und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich
und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
Er erniedrigte sich selbst
und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
Darum hat ihn auch Gott erhöht
und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist,
dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie,
die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
und alle Zungen bekennen sollen,
dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ (Phil 2, 6-11)
Vom Anfang des Liedes an eignet Jesus Christus eine göttliche Qualität. Im Anschluss an seine menschliche Epiphanie und seine Erniedrigung zum Tod wird er von Gott erhöht. Diese Erhöhung zielt auf seine religiöse Verehrung durch die gesamte Schöpfung.
Aber – und dies ist angesichts des Bekenntnisses zur Einzigartigkeit Gottes überraschend – diese Verehrung Jesu Christi stellt die Ehre Gottes nicht in Frage. Im Gegenteil: Die Verehrung Jesu Christi als Herr dient gerade der Ehre des einen Gottes. Die Einzigartigkeit Gottes leidet nicht unter der Verehrung Christi, sondern erhält gerade durch sie eine neue Dimension.
Dieses besondere Verhältnis zwischen der Einheit und Einzigartigkeit des Gottes Israels und dem auferstandenen Christus erhält in der Johannesoffenbarung, die mit ihrer apokalyptischen Bildwelt eine Sonderstellung im Neuen Testament einnimmt, eine markante Illustration:
„Und siehe, ein Thron stand im Himmel, und auf dem Thron saß einer. Und der da saß, war von Ansehen gleich einem Jaspisstein und einem Sarder, und ein Regenbogen war rings um den Thron, von Ansehen gleich einem Smaragd. … Und die vier lebendigen Wesen hatten, eines wie das andere, je sechs Flügel, ringsum und inwendig voller Augen, und sie hören Tag und Nacht nicht auf zu sagen: Heilig, heilig, heilig, Herr, Gott, Pantokrator, der war und der ist und der kommt! … und die 24 Ältesten werden niederfallen … und sagen: Du bist würdig, unser Herr und Gott, die Herrlichkeit und die Ehre und die Macht zu nehmen, denn du hast alle Dinge erschaffen, und durch deinen Willen waren sie und sind sie erschaffen worden.“ (Offb 4, 2f+8+10f)
Ein paar Aspekte des Textes seien noch einmal verdeutlicht:
· Gott sitzt auf einem himmlischen Thron wie ein König. Er wird von einem himmlischen Hofstaat verehrt. Im Zitat werden vier geflügelte Wesen und 24 Älteste genannt.
· Gott wird Pantokrator genannt, das heißt etwa „Allherrscher“ oder „Allmächtiger“. Verehrt wird er als Schöpfer aller Dinge, der alles durch seinen Willen erschaffen hat.
· Unter Achtung des Bilderverbotes meidet der Text es, Gott darzustellen. Stattdessen vergleicht er (griech.: er gleicht in seiner Erscheinung) Gottes Erscheinung mit funkelnd-leuchtenden und wertvollen Edelsteinen. Leser*innen und Hörer*innen sehen vor ihrem inneren Auge herrliches Licht, das sich der konkreten Anschauung entzieht.
· Ausdrücklich schließt sich die Darstellung an die Überlieferung Israels an. Ganz deutlich wird dies im Vergleich mit Jes 6, 1-3. Auch hier bewegen sich himmlische Wesen mit sechs Flügeln um den Thron Gottes und rufen ihr dreifaches „heilig“.
Diese Vision wird in Offb 5 erweitert. Mit einem Mal erblickt der Seher ein Lamm, das in Offb für den auferstanden Christus steht, mitten auf dem Thron. Dieses Lamm erhält aus der Hand Gottes ein Büchlein, in dem das Geheimnis des Weltregimentes enthalten ist, keiner kann es öffnen, außer diesem Lamm. Beiden, Gott auf dem Thron und dem Lamm, gilt das Lob der ganzen Schöpfung:
„Und ich sah inmitten des Thrones und der vier Wesen und inmitten der Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet. … Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ (Offb 5, 6+13).
Heute von Christus reden – aber wie?
Das Neue Testament zeigt uns an, wie sehr hier zwei Grundeinsichten zusammenkommen, mit denen viele Menschen sich bis heute schwertun. Auf der einen Seite ist völlig klar, dass der von den christusgläubigen Juden und Jüdinnen der ersten Gemeinden der eine Gott, von dem das Alte Testament erzählt, verehrt wird: „Derjenige, der Israel erwählt hat und die Welt geschaffen hat, der die Propheten gesandt hat und sein Volk bis heute nicht verlassen hat, ist der, an den wir glauben.“ Und auf der anderen Seite ist genauso deutlich, dass Jesus der Christus, der Messias, nicht einer von den im Alten Testament beschriebenen Propheten ist, sondern viel mehr: Er kommt her von Gott, ja, er wird in der Gottesverehrung mit Gott gleichgesetzt. Wir finden im Neuen Testament keine ausführliche Erklärung, wie Gott und Jesus Christus zusammen zu denken sind, sondern wir sehen dort, wie die frühen Christenmenschen, die ja Jüdinnen und Juden waren, das in ihrem Glauben einfach zusammenbrachten.
Die Frage, wie das denn zu verstehen ist, ist damit gestellt. Wie kann denn Gott im Himmel sein – und gleichzeitig auf Erden? Wie kann denn Gott Gott sein – und gleichzeitig ein Mensch? Wie kann den Gott zwei sein – und gleichzeitig einer? Diese Fragen beantwortet das Neue Testament noch nicht. Aber es stellt der ganzen nachfolgenden Kirche genau diese Fragen – und die Konzilien (= Synoden) der ersten Jahrhunderte in der Kirche haben hierauf Antworten gegeben. Zunächst wurde in zwei Konzilien (in Nicäa 325 und in Konstantinopel 381) gesehen, dass vom dreieinigen Gott zu sprechen sei und dass Gott Vater und Jesus Christus „wesengleich“ seien. Die Lehre von der Trinität ist in unserem Abschnitt nicht eigentliches Thema – aber hier greift die frühe Kirche auch auf das Neue Testament zurück, wo des Öfteren von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist die Rede ist (z.B. Mt 28, 20). Das „wesengleich“ nimmt die im Neuen Testament zu findenden Aussagen über das Verhältnis von Gott und Jesus Christus auf und wendet sich gegen Vorstellungen, dass Jesus Christus nur ein besonderes herausragendes Geschöpf sei. Noch einmal 50 Jahre später, im Konzil von Chalkedon 451, entstand dann der Satz, dass Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich sei und dass beides bei ihm weder zu trennen noch zu mischen sei – also z. B. kein „Halbgott“; diese Auffassung wird „Zwei-Naturen-Lehre“ genannt.
Das alles ist mehr als 1500 Jahre her – also eine lange Zeit. Und es ist nicht so, dass die Fragen oder die Unklarheiten damit verschwunden wären. So wird auch heute gefragt: „Wie kann denn ein Mensch als Gott bezeichnet werden? Ein Mensch darf doch nicht ‚vergottet‘ werden!“ Und manchmal kommt hinzu: „Das ist ja mit dem alttestamentlich-jüdischen Verständnis von Gott gar nicht zu vereinen.“ Dieser letzte Punkt ist verständlich. Aber was wird hier deutlich? Doch vor allem, dass wir uns nicht vorstellen können, dass der im Alten Testament bezeugte Gott in Jesus Christus Mensch wurde. Die Verfasser des Neuen Testaments haben hier etwas getan, was in unseren Zeiten manchmal als „nicht-jüdisch“ bezeichnet wird, obwohl sie doch Juden waren und ihren Glauben an den einen Gott nie verlassen oder in Frage gestellt haben.
Aber selbst wenn die Vorstellung, dass Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch war, als jüdisch kompatibel gelten sollte – unverständlich ist es bis heute für sehr viele Menschen, wie denn Gott Mensch werden kann. Und zugegeben: Es gibt keine logische Erklärung, nach der das möglich ist. Die einzige Antwort, die die Theologie geben kann, lautet: Wir können sagen, dass Gott Mensch werden konnte, weil er Mensch geworden ist. Solch eine Einsicht zeigt letztlich, wie wir von Gott reden können: Er ist nicht von der Welt entfernt, sondern mit seinem Geschöpf in einer Weise solidarisch, dass er sich an seine Stelle begibt und sich sogar töten lässt am Kreuz (aber das ist ein neues Thema). Aber solch eine Einsicht zeigt eben auch, wie wir vom Menschen reden können: Er ist letztlich nicht allein das endliche Geschöpf, mit dem nach dem Tod alles aus ist. Sondern Gott lässt es nicht los – es wird aus dem Tode auferweckt (auch nicht vorstellbar, aber auch ein neues Thema).
Der Film
Das „Bilderverbot“ schließt nicht aus, dass es bewegte Bilder zum ersten Teil von uns gibt:
Fragen und Impulse
Zum Bilderverbot
1) Johannes Calvin zitiert einmal Augustinus mit dessen Befürchtung, die Bilder könnten in den Augen der Betrachter*innen „zu leben und zu atmen scheinen“.
Entfalten Bilder tatsächlich solch eine Eigenmächtigkeit? Wie erleben Sie die Macht der Bilder in Kunst, Werbung oder sozialen Netzwerken? Haben Sie Beispiele aus Ihrer Lebenswelt?
2) Bei Kirchenführungen in reformierten Kirchen in Deutschland taucht immer wieder die Frage auf: Warum gibt es hier keine Bilder und noch nicht einmal ein Kreuz?
Wie könnte Ihre Antwort positiv formuliert werden auf dem Hintergrund des 2. Gebotes?
Darf es Kunstausstellungen in reformierten Kirchen geben?
3) Welche Bilder von Gott machen wir uns heute und welche Auswirkungen haben sie auf unsere Sicht auf Gott?
Zum Namensverständnis
1) Gottes Name – eine Frage oder eine Antwort? Mehr Fragen als Antworten?
2) Nathan Peter Levinson plädiert dafür, dass auch Christen den vierbuchstabigen Namen Gottes, das Tetragramm, nicht aussprechen sollten (Levinson, Ein Rabbiner erklärt die Bibel, s. u.).
Was sind seine Argumente? Wie würden Sie entscheiden?
Zum Verständnis Jesu Christi als Bild und Offenbarung Gottes
1) Im Neuen Testament und in der christlichen Tradition zeichnen sich so viele Jesus-Bilder und Christus-Bilder ab – Wer ist Ihr Jesus Christus?
2) In der Theologie unterscheidet man den „Verkündiger Jesus“ vom „verkündigten Christus“. Der „Verkündiger“ ist der historische Jesus von Nazareth, von dem überliefert ist – und auch das ist nicht alles gesichertes historisches Wissen! –, dass er eine Jüngerschar um sich gesammelt hat, von Gott in einer Weise gesprochen hat, dass es für viele eine Provokation darstellte (man denke an den Umgang mit Sabbatgeboten, der Hinwendung zu den Ausgestoßenen usw.) und auch geheilt hat, bevor er gekreuzigt worden ist. Der „verkündigte Christus“ gründet in dem Jesus, von der die Christin/der Christ glaubt, dass er der Sohn Gottes ist und uns die Liebe Gottes zu uns Menschen, ja Gott selbst offenbaren konnte und noch offenbart. Welche Bedeutung hat diese Unterscheidung für Sie als Christ*in und als „Verkündiger*in“?
Was sind Chancen und Grenzen einer solchen Unterscheidung für den christlichen Glauben in der Gemeinde (nach innen) und vor der Welt (nach außen)?
Literatur zum Vertiefen
Zum Bilderverbot
Karl Barth, Predigt über Exodus 20, 4-6, in: Barth lesen. Zentrale Texte seines Denkens, Zürich 2019, 109-112.
J. Calvin, Institutio Christianae Religionis, Buch I, Kapitel 11 u. 12.
M. Freudenberg, Reformierte Theologie. Eine Einführung, Neukirchen-Vluyn 2011, 300-307 u. 310-313.
G. Plasger, „Das Bilderverbot als Wurzel reformierten Widerstands?“ (Vortrag in Kölschhausen am 20.11.2018).
M. Weinrich, Du sollst Dir kein Bildnis machen. Wort-Bilder contra Bild-Bilder (Vortrag), zu finden unter: http://www.imdialog.org/md2006/02/04.html
Noch ein paar Literaturtipps
Kann es eine Aufwertung von Kunst trotz Bilderverbot geben? Dies in der reformierten Tradition durchaus möglich! Bilderfreiheit kann den Raum für anderes – und vielleicht nicht zuletzt für jemand anderes öffnen. Schauen Sie doch einmal in diese Bücher!
Einsichten – Zur Szenografie des Reformierten Protestantismus, herausgegeben von S. Dreßler u. A. Mertin, Solingen 2017.
Die Reformierten – Suchbilder einer Identität, herausgegeben von M. Krieg und G. Zangger-Derron, Zürich 2002.
Zum Namensverständnis
N. P. Levinson, Ein Rabbiner erklärt die Bibel, München 1982, 13-16.
Ch. Link, Die Spur des Namens. Wege zur Erkenntnis Gottes und zur Erfahrung der Schöpfung, Neukirchen-Vluyn 1997, 44-51.
K. H. Miskotte, Biblisches ABC. Wider das unbiblische Bibellesen, Neukirchen-Vluyn 1976, 36-53.
G. Plasger, Gott ist kein Gattungsbegriff – oder: Gott und die Götter. Überlegungen im Anschluß an Martin Luther und Kornelis Heiko Miskotte (Ausschnitt einer Vorlesung).
Zum Verständnis Jesu Christi als Bild und Offenbarung Gottes
E. Busch, Credo. Das Apostolische Glaubensbekenntnis, Göttingen 2003, 161-177.
H.-St. Haas, Glaube gibt zu denken. Theologie verständlich, Hannover 1999, 99-112.
J. Moltmann, Der gekreuzigte Gott. Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theologie, Gütersloh 2016 (Sonderausgabe), 100-104.
R. K. Wüstenberg, Christologie. Wie man heute theologisch von Jesus sprechen kann, Gütersloh 2009, 49-54.